Gruber: Der Trend stimmt, ist aber zu langsam!

 Erdverbrauchstag 2022: 7.Juni (D), 23.Juni (BW) und 8.Juli (Rems-Murr-Kreis)

Buchtipp: Wir sind dran!

In Deutschland verbraucht die Bevölkerung immer noch mehr als doppelt so viel wertvolle Rohstoffe, als uns die Erde eigentlich zur Verfügung stellt.

Der Tag im Jahr, bis zu dem die Deutschen die bioproduktiven Flächen ihres Landes verbraucht haben, rückt aber nach hinten. Das ist erfreulich. Nach den Berechnungen des Landtagsabgeordneten Gernot Gruber und seines Büroleiters Dr. Marc Dressler fällt in diesem Jahr der Erdverbrauchstag (Overshoot-Day) für Deutschland auf den 7. Juni (2 Wochen später als im Vorjahr), für Baden-Württemberg auf den 23. Juni (10 Tage später) und im Rems-Murr-Kreis 5 Tage später auf den 8. Juli. „Das geht in die richtige Richtung“, sagt Gruber, „noch besser wären allerdings Fortschritte in Monaten statt in Tagen oder Wochen, da wir aktuell immer noch so leben, als könnten wir aus zwei Erden schöpfen.“

Das Datum des Erdverbrauchstags wird jährlich vom Global Footprint Network berechnet. Gruber ergänzt mit seinen Berechnungen die Arbeit der Umweltorganisation vertiefend, indem er zusätzlich die regionalen Werte für das Land und den Kreis berechnet. Den Landtagsabgeordneten treibt die Frage um, wie Baden-Württemberg und der Rems-Murr-Kreis dastehen im Verhältnis zur Bundesrepublik und natürlich auch zur Welt. Dazu finden sich beim Global Footprint Network keine Angaben. Dabei sieht’s regional gar nicht so schlecht aus wie überregional. Gruber zufolge verbrauchen der Kreis und das Land ihre Ressourcen später als der Bund, kommen aber langsamer voran bei der nachhaltigeren Bewirtschaftung ihrer Heimat. Der Rems-Murr-Kreis hat sich innerhalb eines Jahres um fünf Tage verbessert und steht ökologisch erst ab dem 8. Juli in der Kreide. Baden-Württemberg kann für denselben Zeitraum eine Verbesserung um zehn Tage verbuchen und überzieht ab dem 23. Juni sein Budget (1990 war das noch der 11. Mai). Beim Bund ist dies schon zum 7. Juni der Fall, er gewinnt jedoch 14 Tage gegenüber dem Vorjahr und fast zwei Monate gegenüber 1990 (14. April).

Ein wesentlicher Anteil der verbesserten Ökobilanz geht zurück auf die Covid-19-Pandemie, da die Überlastungstermine mit den Daten aus dem Jahr 2020 berechnet wurden. Die Lockdowns in verschiedenen Staaten haben weltweit in der Summe zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen um 14,5 Prozent geführt. Der Rems-Murr-Kreis und Baden-Württemberg stehen pro Kopf besser da als der Bund, weil dort keine Braunkohlekraftwerke Strom produzieren. „Beim vereinbarten Kohleausstieg macht das Land aber eben deswegen auf eigenem Terrain verhältnismäßig wenig Boden gut und kommt beim Ausbau der erneuerbaren Energien viel zu langsam voran“, bemängelt Gruber.

Die Treibhausgasemissionen sind in den Industriestaaten die wichtigste Stellschraube. Beim Ansatz des globalen Fußabdrucks ist die ökologische Bilanz erst dann ausgeglichen, wenn innerhalb der Gebietsgrenzen nur unwesentlich mehr CO2 produziert wird, als die heimischen Wälder in der Lage sind zu absorbieren. Und deren Produktivität lässt sich kaum noch steigern, wie auch die Waldfläche nur noch marginal zunehmen kann. „Auch bei Getreide, Obst und Gemüse sind die Erträge überdurchschnittlich hoch, weshalb die Biokapazität zwischen den Jahren bei uns nahezu konstant bleibt“, erläutert der klimaschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

In der Gegenüberstellung land- und forstwirtschaftlicher Erträge zu deren Verwertung und Konsum besteht die Grundidee des ökologischen Fußabdrucks. Idealerweise konsumiert man nicht mehr, als die eigenen Äcker, Wälder, Wiesen und Gewässer hergeben. Wer es dennoch tut, trampelt im übertragenen Sinne in überdimensionalen Stiefeln durch die anrainenden Ökosysteme. Zeitlich betrachtet essen die Baden-Württemberger zur Erdbeerzeit bereits den Kohlrabi vom nächsten Jahr. Würden sich die Menschen weltweit genauso verhalten wie die im Südwesten, dann wäre im Juni die globale Jahresproduktion weggefuttert – und ab diesem Tag die Erde überlastet.

Dabei rechnet Gruber wohlwollend: Deutschland schneidet darin besser ab als im UNICEF-Bericht und erreicht die Erdüberlastung erst 20 Tage später, als diese das Global Footprint Network datiert. Die Differenz rührt einerseits daher, dass Gruber das Modell der Wissenschaftler vereinfacht hat, um mit den hier verfügbaren und ein Jahr aktuelleren Daten eine möglichst genaue Verortung Baden-Württembergs und des Rems-Murr-Kreises im globalen Fußabdruck vornehmen zu können. Und diese Daten bezieht der Landtagsabgeordnete fast ausnahmslos von Bundesbehörden und dem Statistischen Landesamt, wohingegen die Umweltorganisation für aktuelle Angaben mit Schätzungen arbeiten muss, weil der benötigte Datensatz aller Staaten frühestens nach drei Jahren komplett bei den Vereinten Nationen öffentlich verfügbar ist.

Dafür differenziert Gruber andererseits nicht zwischen verschiedenen Baum-, Getreide- oder Fischarten oder Obstsorten; und beim Import und Export von Waren rechnet der Backnanger Sozialdemokrat allein mit den Nettobeträgen. Daraus ergeben sich Ungenauigkeiten, die auch das Global Footprint Network notgedrungen in Kauf nimmt, indem es seinerseits die topographische Lage von Flächen außen vor lässt. „Dabei ist eine Talaue wesentlich bioproduktiver als ein Schattenhang, egal, was man dort anbaut“, gibt Gruber zu bedenken. Trotz der jeweiligen Ungenauigkeiten ist in den jeweiligen Ergebnissen ein gemeinsamer Trend erkennbar. „Der stimmt“, sagt Gruber, „sollte aber beschleunigt werden, um die Erderwärmung nachhaltig einzudämmen!“

Befragt, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, damit der Erderschöpfungstag sich deutlich schneller nach hinten verschiebt und erst im Herbst oder sogar an Silvester eintrifft, verweist der Backnanger Sozialdemokrat sich einschließend darauf, dass beim Klimaschutz neben Bund, Land, Kreis und Kommunen auch jeder und jede einzelne Privatperson gefordert ist. Grundsätzlich müssten alle Energie sparen und effizienter nutzen. „Mit dem Mandat für den Landtag übernehme ich zugleich eine Vorbildfunktion“, bekennt der SPD-Politiker. Die versucht Gruber nach Kräften auszufüllen: Er fährt mit der S-Bahn zur Arbeit, ist beteiligt an Bürger-Windkraft-Projekten, hat eine Solaranlage auf dem Dach und eine Minisolaranlage auf dem Balkon sowie ein energetische saniertes Haus und eine Wärmepumpe als Heizung. Dabei zieht Gruber sich erst eine warme Weste über, bevor er die Heizung einschaltet.

Dem engagierten Klimaschutzpolitiker ist die Einsicht wichtig, dass wirklich jeder bei sich selbst anfangen könne und müsse, wenn auch die Möglichkeiten der Reichen die der Armen bei weitem übertreffen. Am einfachsten geht das beim Energiesparen. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 ist gerade im Südwesten das Energieeinsparpotential besonders hoch. Gegenüber den Haushalten in Hamburg oder Sachsen können die in Baden-Württemberg umgerechnet ganze 200 Euro jährlich mehr einsparen. Und das ist kein Hexenwerk!

Um die Größenordnung zu verdeutlichen: 45 Prozent der Energie verbrauchen Badener und Württembergerinnen direkt für Strom, Wärme und Mobilität; die restlichen 55 Prozent stecken indirekt in Herstellung, Verpackung, Transport und Lagerung von Produkten sowie in der Erbringung von Dienstleistungen, die sie täglich konsumieren. „Demnach können wir unseren derzeitigen CO2-Abdruck von 11,5 Tonnen pro Person um 2 bis 3 Tonnen im Jahr reduzieren, indem wir weniger Dinge neu einkaufen und sie stattdessen leihen oder reparieren“ rechnet Gruber vor. Häufiger auf das Auto verzichten, spart bis zu 0,9 Tonnen, ein Wechsel zu Ökostrom 0,6 Tonnen. Flugverzicht, Gebäudedämmung und eine pflanzenbasierte Ernährung bringen jeweils weitere 0,5 Tonnen Ersparnis. Bereits eine um ein Grad niedrigere Heiztemperatur kann 0,4 Tonnen CO2 einsparen – diese Menge ist auch erreichbar, wenn man seltener und kürzer duscht. Vieles davon kann man unmittelbar angehen, z.B. indem man Elektrogeräte nur dann einschaltet, wenn sie tatsächlich benötigt werden; oder man steigt bei Kühltruhe, Waschmaschine oder Fernseher gleich um auf Energiesparmodelle. „Das rechnet sich in der Regel selbst ohne Fördergelder schnell“, weiß Gruber aus eigener Erfahrung, „und mit einer kleinen Solaranlage auf dem Balkon oder an der Hauswand kann jeder, ob Eigentümer oder Mieter, leicht klimaneutralen und den Geldbeutel schonenden Solarstrom für seinen eigenen Verbrauch erzeugen.“

Auch im Haushalt sieht Gruber große Energieeinsparpotentiale. Weißwäsche z.B. wird meist auch bei 30 oder 40 Grad sauber. Energetisch betrachtet bekommt man dann zwei bis drei Trommeln mehr Wäsche sauber als mit einem Waschgang bei 60 Grad. „Wer dann noch beim Kochen den Deckel auf dem Topf lässt, der kann seinen Fußabdruck insgesamt mehr als halbieren“, appelliert Gruber an den Öko-Ehrgeiz jedes Einzelnen. Als Faustegel gibt der klimabewegte SPD-Politiker als Merkhilfe die vier Fs mit auf den Weg in die Klimaneutralität: Fleischreduktion beim Essen, Fassadendämmung beim Wohnen, Flugvermeidung beim Urlauben und Fahrtenverzicht mit dem Auto auf Kurzstrecken.