Die Dosis macht das Gift. Auf diesem 500 Jahre alten Gedanken des Paracelsus fußen sämtliche modernen Grenzwertbestimmungen für Schadstoffe. Deren Konzentration lässt sich heute zwar gut messen, doch sagt dies allein nichts über ihre Schädlichkeit aus. Gänzlich verwirren muss es dann den gesundheitsbewussten Bürger, wenn die Grenzwerte für ein und denselben Stoff stark voneinander abweichen, je nachdem ob man sich auf der Straße oder in einer Werkhalle aufhält. So gilt für Stickoxide derzeit ein Grenzwert von 40 Mikrogramm im Verkehr, von 80 Mikrogramm im Büro und von 950 Mikrogramm im Betrieb. Die Grenzwerte und ihre Messung hat nun der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber beim Verkehrsministerium des Landes mit einer kleinen Anfrage hinterfragt.
Gemessen wird Stickoxid in Backnang in der Eugen-Adolff-Straße; im letzten Jahr ergaben sich laut Verkehrsminister Hermann 49 Mikrogramm, erfreuliche 7 Mikrogramm weniger als 2016. „Der stete Rückgang bei der Stickoxid- und damit auch der Ozonbelastung ist erfreulich“, sagt Gruber, der optimistisch ist, dass in naher Zukunft der Grenzwert durch technische Verbesserungen weiter sinkt.
Ein Fahrverbot lehnt Gruber ab. „Das wäre unverhältnismäßig angesichts der positiven Entwicklung und der Unsicherheit über die Herleitung der Grenzwerte, zumal eine einzige Spotmessung nicht repräsentativ ist für die Luft in Backnang“, sagt der SPD-Politiker. Das Ministerium räumt auch unumwunden ein, dass für die Standorte der von der Landesgesellschaft für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) aufgestellten Messstellen keine Abstimmung mit den Städten und Gemeinden erfolgt sei. Es erfolge lediglich eine Abstimmung mit dem Verkehrsministerium.
Hinzu kommt die große Spannweite des Grenzwertes zwischen Verkehr und Verwaltungs- bzw. Produktionsarbeitsplätzen. Die Kontrolle der Grenzwerte am Arbeitsplatz ist laut Hermann nicht Aufgabe des Staates; die müssten die Betriebe selbst übernehmen. Angesichts der schwer nachvollziehbaren Herleitung des Grenzwerts durch die Weltgesundheitsorganisation, begrüßt der Backnanger Sozialdemokrat, dass die Bundesregierung einen Toleranzbereich bis 50 Mikrogramm festgelegt hat, um Fahrverbote in Städten zu vermeiden.
Dies passe auch zum Grenzwert von 57 Mikrogramm Stickoxid, dem in Kalifornien geltenden strengsten Stickoxid-Grenzwert in den USA.
Gruber
freut sich, dass die Messung von Feinstaub in 2017 in Backnang
eingestellt werden konnte, weil die Messwerte hier deutlich unter dem
zulässigen Grenzwert lagen.
Das ausschließlich Stickoxid gemessen
wird, hält Gruber jedoch für zu einseitig, um ein Bild von der
Luftbelastung durch Schadstoffe zu bekommen.
Mindestens so wichtig wäre die Messung des für die Klimaerwärmung verantwortlichen Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), Dies werde aber laut Ministerium nicht gemessen, weil nur die Messung von Stickoxiden gesetzlich vorgeschrieben sei. „Das ist eine arg dünne Argumentation für eine Landesregierung, die sich gerne den Klimaschutz auf Ihre Fahnen schreibt“, kritisiert Gruber, der in Backnang möglichst viele Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt, um CO2 zu sparen. Aber auch Gruber ist immer wieder auf das Auto angewiesen.
Im Rems-Murr-Kreis befinden sich laut Auskunft des Ministeriums weitere Messstellen für Stickoxide an der B14-Ortsdurchfahrt in Oppenweiler und in Waiblingen. Die Standortwahl trifft das Land eigenmächtig, was der Verkehrsminister unumwunden zugibt. Die mangelnde Einbeziehung der Kommunen führt zu Unverständnis in der Bevölkerung und zu einer sinkenden Akzeptanz von grundsätzlich richtigen Messungen von Schadstoffen, um die Luft in unseren Gemeinden und Städten zu messen und zu verbessern.