Gernot Gruber: Ja zum Zweistimmenwahlrecht – Nein zur Landesliste

Der Backnanger Landtagsabgeordnete Gernot Gruber (SPD) begrüßt das kommende Landtagswahlrecht mit zwei Stimmen, ist aber entschieden gegen eine geschlossene Landesliste.

Ein Zweistimmenwahlrecht ermöglicht es, stärker zwischen den Stimmen für die jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkreis und der Zweitstimme für die Partei zu unterscheiden.

Gruber befürwortet ein personifiziertes Zweistimmenwahlrecht (Zweitstimme für die Stärke der Parteien; Erststimme für die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten).

Der Backnanger Abgeordnete warnt eindrücklich davor, dass mit dem Verfahren einer geschlossenen Landesliste die Bürgerinnen und Bürger künftig viel weniger zu entscheiden haben als heute.

Bei der Landtagswahl sind es seither die Bürgerinnen und Bürger, die mit ihren Stimmen sowohl über das Direktmandat entscheiden, wie auch über den Einzug weiterer Kandidatinnen und Kandidaten, welche nach Stuttgart „abgeordnet“ werden, um ihren Wahlkreis zu vertreten.

Dieses bürgerfreundliche Wahlrecht macht Landtagsabgeordnete ähnlich wie Vertreter in Gemeinde- und Kreisräten unabhängiger von ihrer eigenen Partei und belohnt diejenigen, die sich erkennbar engagieren. Ein gutes Ergebnis im Wahlkreis stärkt den Abgeordneten den Rücken, auch mal abweichende Meinungen in ihren Fraktionen oder im Parlament zu vertreten. Es stärkt die Unabhängigkeit der Ausübung ihres Mandats.

Das Listenwahlrecht wird damit begründet, dass es damit gelingen kann, mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Dem widerspricht, dass es den Grünen erfolgreich gelungen ist mit dem bestehenden Wahlrecht einen Frauenanteil von über 48% (28 von 58) zu erringen. Auch aufgrund des schlechten Wahlergebnisses der SPD hat Grubers Partei leider nur 3 Frauen (15,8%) im Landesparlament. Schaut man auf die Bundestagswahl von 2021, ergibt die Analyse ein anderes Bild: Mit einem Frauenteil von 44,7% an allen Kandidaten, sind 11 der 22 SPD-Bundestagsabgeordneten Frauen (50%) – wenn das bürgerfreundlichere Landtagswahlrecht angewendet worden wäre, wäre es mit 10 Frauen (45,5%) nur eine weniger gewesen. Insgesamt 8 der 22 Mandate wären aber anders verteilt worden, nämlich an diejenigen mit den besten Erststimmenergebnissen.

Gruber treibt die Sorge um, dass das Listenwahlrecht die berufliche Vielfalt reduzieren wird. Kandidatinnen und Kandidaten, die im Beruf erfolgreich oder in Ehrenämtern stark engagiert sind, haben weniger Zeit für die Pflege von Verbindungen auf der Landesebene der Parteien, die für die Auswahl der Landeslisten entscheidend sind.

Auch die Stellung der einzelnen Abgeordneten gegenüber den Landes- und Fraktionsvorständen würde geschwächt – sind es doch diese Führungsfiguren, die mit ihrem Vorschlag für eine Landesliste künftig die Verteilung der Mandate vorentscheiden werden.

Bei einem Listenwahlrecht wird der unerfreuliche Trend der Politik – Karrieren nach dem Muster „vom Kreissaal über den Hörsaal in den Plenarsaal“ noch stärker zunehmen.

Zudem geht der Abgeordnete Gernot Gruber davon aus, dass das Landeslistenwahlverfahren zulasten des ländlichen Raums gehen wird – da städtische Parteigliederungen mehr Delegiertenstimmen auf Landesparteitagen haben als Wählerinnen und Wähler an der Wahlurne.

Gruber bedauert, dass es keine gründliche Debatte im Landtag über das künftige Wahlverfahren gegeben hatte.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte einst eindringlich davor gewarnt, dass der Einfluss der Parteien auf die Auswahl der Abgeordneten größer wird und der Einfluss der Bürgerinnen und Bürger kleiner.

Gruber selbst hätte bei einem Zweistimmenwahlrecht bei der Wahl 2021 mit dem in absoluten Zahlen stärksten SPD-Ergebnis im Land (prozentual dem drittstärksten) eine realistische Chance gehabt das Direktmandat im Wahlkreis zu gewinnen. Gruber wird im Landtag aber gegen den Gesetzesvorschlag von Grünen, CDU und der SPD zur Einführung eines neuen Wahlrechts stimmen, da das Landeslistenwahlverfahren den Bürgerinnen und Bürger im Land entscheidenden Einfluss auf die Auswahl Ihrer Abgeordneten nehmen wird.

Das Listenwahlverfahren wird die Chancen seither nicht im Landtag vertretener Parteien wie der Linken oder der Freien Wähler erhöhen und verschärft damit auch das Risiko, dass der Landtag durch den Ausgleich von Überhangmandaten noch größer wird. Im Moment sitzen 154 Abgeordnete im Landtag bei einer geplanten Größe von 120 Sitzen (70 Direktmandate, 50 Zweitmandate) – weil die Überhangmandate durch die vielen Direktmandate der Grünen durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien kompensiert werden.

Deshalb fordert die Landtagsfraktion der FDP zu Recht, dass die Anzahl der Wahlkreise von 70 auf 60 verkleinert wird und 60 Mandate nach der Zweitauszählung vergeben werden. Der SPD-Abgeordnete Gernot Gruber unterstützt diesen naheliegenden Vorschlag der FDP.

HIER finden Sie die persönliche Erklärung von Gernot Gruber zur Änderung des Wahlrechts.